- Beschluss -
Diesel-Fahrverbote vermeiden – Grenzwerte und Messmethoden wissenschaftlich überarbeiten
- Beschlossen durch Bezirksparteitag am 09.02.2019 -
Durch Fahrverbote werden Besitzer von Dieselfahrzeugen doppelt bestraft: Zum einen werden sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, zum anderen sind sie von einem erheblichen Wertverlust ihrer Fahrzeuge betroffen. Dies kommt einer teilweisen Enteignung der Fahrzeugbesitzer gleich. Lieferbetriebe sind plötzlich gezwungen, ihre Fahrzeugflotte auszutauschen, Handwerker können nicht mehr ohne weiteres alle Kunden erreichen.
Auch der Umwelt ist nicht geholfen: Mit Fahrverboten geht ein noch nicht näher untersuchter Umwegsverkehr einher, der je nach Ausgestaltung vor Ort den Gesamtausstoß von Stickstoffoxiden (NOx) und Kohlendioxid (CO2) durch den Straßenverkehr insgesamt erheblich erhöhen könnte. Zudem werden mit diesen Verboten gar nicht unbedingt die größten Emittenten getroffen. Generell ist es äußerst problematisch, von Emissionen aus Kraftfahrzeugen unmittelbar auf die im Straßenverkehr gemessenen Immissionen zu schließen.
Weder tragen PKW oder leichte Nutzfahrzeuge mit Dieselmotor an jeder Messstation im gleichen Maße zu den Messwertüberschreitungen bei, noch sind sie stets Hauptverursacher der Grenzwertüberschreitungen. Oft werden Fahrverbote ohne genaue Verursacheranalyse der Grenzwertüberschreitungen erwogen.
Auch an der wissenschaftlichen Begründetheit der Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) bestehen seitens zahlreicher Experten erhebliche Zweifel.
Aufgrund dieser massiven Eingriffe in den Individualverkehr und der wirtschaftlichen Schäden sind Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Rechtsgrundlagen für Fahrverbote, insbesondere der Grenzwerte und Messverfahren, zu überprüfen. Natürlich muss dabei nach wie vor zuallererst dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung hinreichend Rechnung getragen werden.
Die EU-Kommission berief sich bei ihren Vorschlägen für die Luftqualitätsrichtlinie auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO (Luftgüteleitwerte, „WHO Air Quality Guidelines for Europe“). Der Richtwert der WHO von 40 μg/m³ beruhte damals auf epidemiologischen Studien, die grundsätzlich nur Korrelationen auswerten. Der kausale Zusammenhang und die Frage, inwieweit sich dauerhafte NOx-Expositionen dieser Schadstoffkonzentration auf die menschliche Gesundheit auswirken, ist jedoch bis heute nicht ausreichend erforscht. Belastbare toxikologische Studien über die Langzeitwirkung von geringen Expositionen, die mit der Stickoxid-Belastung im Straßenverkehr vergleichbar sind, liegen hierzu nicht vor.
Zudem sind Messungen hierzulande kaum vergleichbar, weil die Definition der Standorte der Immissionsmessstellen (Probenahmestellen) in der entsprechenden Rechtsgrundlage sehr vage ist und einen zu hohen Spielraum für die Standorte vorgibt.
Aus diesen Gründen halten wir es für erforderlich,
- auf europäischer Ebene auf ein Moratorium zur Aussetzung der EU-Luftqualitätsrichtlinie hinzuwirken, um die notwendigen Maßnahmen zur Luftreinhaltung und Vermeidung von Fahrverboten in einem geordneten Verfahren umsetzen zu können,
2. die Anlage 3 der 39. BImschV insoweit zu konkretisieren, dass die Ortsbestimmung der Probenahmestellen im Rahmen der Luftqualitätsrichtlinie (2008/50/EG) bundesweit vergleichbar ist. Hierbei ist der Spielraum, den die Richtlinie zulässt, so weit wie möglich auszureizen.
3. für eine europaweite Vergleichbarkeit der Standortwahl zu sorgen,
4. den Beschluss der Verkehrsministerkonferenz bezüglich der Überprüfung der Einhaltung der EU Standards zur Messung und Aufstellung der Probenahme-stellen in allen Städten zügig umzusetzen,
5. eine Studie in Auftrag zu geben, die die Auswirkungen straßennaher Überschreitungen des Jahresmittelgrenzwerts von 40 μg/m³ für NO2 auf vulnerable Gruppen wie Asthmatiker unter Berücksichtigung der Dauer ihrer üblicherweise zu erwartenden täglichen Schadgasexposition an diesen Orten untersucht,
6. den Jahresmittelgrenzwert von 40 μg/m³ für NO2 auf seine Erforderlichkeit zu überprüfen und
7. die Studie des Umweltbundesamts „Quantifizierung von umweltbedingten Krankheitslasten aufgrund der Stickstoffdioxid-Exposition in Deutschland“ auf die Belastbarkeit der dort aufgestellten Exposition-Wirkungs-Funktion zu überprüfen.
8. den Verkehr durch intelligente, neue Verkehrsleitsysteme zum Fließen zu bringen und durch den flächendeckenden Ausbau eines hochleistungsfähigen Mobilfunknetzes (5G-Standard) aktive Stauprävention zu betreiben.
9. die technologieoffene und ergebnisoffene Forschung in neue Antriebstechnologien sowie alternative Kraft- und Zusatzstoffe zu intensivieren.